Medizinischer Fortschritt in schwierigen Zeiten: Klinikum implantiert erstmals kleinsten Herzschrittmacher der Welt
Hanau, 02. Juni 2020. Die Kardiokapsel ist kabellos und kaum größer als eine Vitamintablette.
Knapp zwei Gramm schwer, rund 2,6 cm groß, keine Kabel oder Elektroden und keine Ausbuchtung im Brustbereich. Die sogenannte Kardiokapsel, der kleinste Herzschrittmacher der Welt, bringt für Patienten mit Herzrhythmusstörungen viele Vorteile mit sich. Das Team der Klinik für Kardiologie, Angiologie, Pneumologie, Nephrologie und internistische Intensivmedizin am Klinikum Hanau um Chefarzt PD Dr. med. Christof Weinbrenner, bietet dieses innovative System jetzt auch für Betroffene im Main-Kinzig-Kreis an und hat die Kardiokapsel auch schon zum ersten Mal implantiert. „Der Eingriff verlief ohne jegliche Komplikationen in weniger als 45 Minuten“ so Oberarzt MUDr. Stanislav Brezina. „Das winzige System ist Impulsgeber, Sensor und Batterie in einem und kann aufgrund seiner Größe minimalinvasiv eingesetzt werden“, ergänzt Timo Schlauch, ebenfalls Oberarzt am Klinikum. Er und Brezina haben die erste Kardiokapsel-Implantation am Klinikum gemeinsam erfolgreich durchgeführt. „Die Schrittmachertherapie ist die häufigste Form der Behandlung bei Bradykardie, also dem verlangsamten Herzschlag, über eine Million Herzschrittmacher werden weltweit pro Jahr implantiert“, erklärt Chefarzt PD Dr. med. Weinbrenner.
Die Kardiokapsel ist weniger als ein Zehntel so groß wie ein herkömmlicher Schrittmacher, also in etwa vergleichbar mit einer großen Vitamintablette. Sie bietet die fortschrittlichste Herzschrittmachertechnologie und ist dabei kosmetisch unsichtbar. Die Kapsel wird bei der Implantation minimalinvasiv über einen Katheter in der Leiste unmittelbar in die rechte Herzkammer geschoben. Sobald sie positioniert ist, wird sie an der Herzwand befestigt und kann bei Bedarf umpositioniert oder entfernt werden, die Programmierung erfolgt von außen. Im Gegensatz zu herkömmlichen Schrittmachern sind bei der Kardiokapsel weder Drähte, sogenannte Elektroden, erforderlich, noch muss operativ eine „Tasche“ unter der Haut angelegt werden. Die Elektroden gelten als die große Schwachstelle der normalen Herzschrittmacher, weil über sie auch Bakterien ins Herz gelangen können, die eine Herzmuskelentzündung auslösen können. Stattdessen wird die Kardiokapsel mit winzigen Titanärmchen in der Herzwand verankert und gibt über einen Pol an der Spitze des Geräts die elektrischen Impulse für die Herzaktivität ab.
Trotz der geringen Größe der Kardiokapsel beträgt die geschätzte Lebenszeit der Batterie, wie bei einem normalen Herzschrittmacher, circa zehn Jahre. Das System reagiert auf den Aktivitätsgrad des Patienten, indem es die Schrittmachertätigkeit automatisch anpasst. Während mit älteren Schrittmachermodellen MRT-Untersuchungen für Betroffene oft nicht mehr möglich waren, weil das Strahlungsfeld des MRTs die Elektroden des Schrittmachers erhitzt, ist das bei der Kardiokapsel kein Problem mehr: „Das System ist für MRT-Untersuchungen aller Körperregionen zugelassen und hält unseren Patienten so weiterhin den Zugang zu den fortschrittlichsten diagnostischen Bildgebungsverfahren offen“ betont Volkmar Bölke, Geschäftsführer des Klinikums Hanau. Einen Nachteil hat das neuartige System: Bisher ist es nur für Patienten bestimmt, die von einer isolierten Stimulation in der rechten Herzkammer profitieren und für die Implantation eines herkömmlichen Schrittmachers aufgrund medizinischer Gründe ungeeignet sind.