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Experteninterview: Dr. med Claudia Weiland beantwortet zum Welt-Alzheimer-Tag die wichtigsten Fragen rund um die Erkrankung

Dr. med. Claudia Weiland

Es fühle sich an wie Honig im Kopf, so beschreibt Amandus Rosenbach, gespielt von Dieter Hallervorden, seine Demenzerkrankung und damit das Gefühl, alles zu vergessen, im Film „Honig im Kopf“ von Til Schweiger. Rund 46 Millionen Menschen weltweit und circa 1,6 Millionen in Deutschland leiden unter Demenz. Wir haben mit Dr. med. Claudia Weiland, Oberärztin der Klinik für Neurologie am Klinikum Hanau, zum Welt-Alzheimer-Tag am 21. September über Erkennungsmerkmale, Risikofaktoren und Therapiemethoden gesprochen. In diesem Jahr steht der Tag unter dem Motto „Demenz. Die Vielfalt im Blick“. Es soll unterstreichen, dass die Erkrankung viele Formen, Gesichter und Ausprägungen hat.

Frau Dr. Weiland, wie bemerkt man eigentlich, ob jemand an Alzheimer erkrankt ist?

Dr. Weiland: Diese Frage stellen sich Betroffene oder ihr soziales und familiäres Umfeld am häufigsten dann, wenn erste Gedächtnisdefizite auftauchen. Aber auch Orientierungsstörungen oder Probleme bei der Ausführung von alltäglichen Aktivitäten, können Anzeichen sein. Beispielsweise wenn der Betroffene auf einmal ein Rezept, das er früher aus dem Stegreif konnte, nicht mehr zubereiten kann. Die Diagnose kann und sollte dann aber nur ein Neurologe stellen.

Ist Alzheimer erblich? Und was ist eigentlich der Unterschied zwischen Alzheimer und Demenz?

Dr. Weiland: „Alzheimer“ – eigentlich „Demenz vom Alzheimer-Typ“ (DAT) - ist nur eine Demenzunterform, allerdings bei uns sicher die am häufigsten vorkommende Form. Je nach Untersuchung macht sie 55-60% aller Demenzen aus. Die Alzheimer-Demenz oder Alzheimer-Erkrankung ist in erster Linie eine Erkrankung älterer Menschen. Etwa 1-3 % aller DAT sind erblich, wobei dann die Betroffenen meist deutlich jünger, also vor dem 65. Lebensjahr, erkranken, als andere Alzheimer-Patienten.

Kann man etwas zur Prävention tun?

Dr. Weiland: Ausgenommen bei den erblichen Erkrankungen, handelt es sich bei der Alzheimer-Demenz um eine sogenannte multifaktorielle Erkrankung. Hier spielen neben einer gewissen genetischen Veranlagung auch Umweltfaktoren eine Rolle, die wir im Einzelnen heute noch gar nicht alle kennen. Größter Risikofaktor ist das Alter, und das ist ja nicht beeinflussbar. Außerdem wissen wir, dass alles, was dem Herz schadet, auch dem Gehirn schadet. Das bedeutet, dass kardiovaskuläre Risikofaktoren wie hoher Blutdruck, hohe Cholesterinwerte, Diabetes, Übergewicht und Bewegungsmangel auch Risikofaktoren für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz sind.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, an Alzheimer zu erkranken?

Dr. Weiland: Das Risiko ist individuell unterschiedlich und hängt von den oben genannten Faktoren ab. Über den Risikofaktor Alter wissen wir aber zum Beispiel, dass die Erkrankung mit steigendem Lebensalter zunimmt. Während nur ca. 2-5% aller 70-Jährigen erkranken, sind es bei den 80-Jährigen schon bis zu 20% und bei den 90-Jährigen sogar über 30%.

Was sind die aktuellsten Methoden zur Behandlung der Erkrankung und wie sieht die Zukunft aus? Wird Alzheimer vielleicht irgendwann heilbar?

Dr. Weiland: Die Demenz vom Alzheimer-Typ ist eine sogenannte neurodegenerative Erkrankung. Das bedeutet, dass die Nervenzellen des zentralen Nervensystems im Laufe der Jahre nach und nach absterben, und das Gehirn vor allem an dem Botenstoff Acetylcholin verarmt, der essenziell für die Gedächtnisleistung ist. Die Krankheit kann zwar bis heute medikamentös nur symptomatisch behandelt werden, Medikamente sind aber nur ein wichtiger Baustein in der Behandlung. Auch der richtige Umgang in der Pflege eines Betroffenen ist essentiell. Eine empathische und wertschätzende Interaktion ist genauso entscheidend, wie dass noch vorhandene Fähigkeiten weiter unterstützt und geübt werden.

Medikamente, die den Krankheitsverlauf verlangsamen oder gar ganz stoppen könnten, gibt es aktuell leider nicht, allerdings wird hier schon seit vielen Jahren geforscht. Die Experten arbeiten zum Beispiel daran, die parallel zur Neurodegeneration gefundenen und wahrscheinlich ursächlichen, fehlgefalteten Proteinstrukturen wieder abzubauen oder sie erst gar nicht bis zur Ablagerung kommen zu lassen. Eine Schwierigkeit dabei besteht darin, dass sich diese Strukturen schon Jahre vor Auftreten der ersten Demenzsymptome im Gehirn ablagern, wir also lange gar nicht wissen, wer betroffen ist. Wichtig wäre demnach auch, leicht zugängliche Marker zu finden, die man über ein Screeningverfahren untersuchen könnte, um rechtzeitig gefährdete Personen zu identifizieren.

Wodurch zeichnet sich unser Klinikum bei der Therapie von Alzheimer-Patienten aus?

Dr. Weiland: Unsere Aufgabe in der Klinik für Neurologie besteht weniger im Einsatz einer besonderen Therapie bei der Alzheimer-Erkrankung als in der diagnostischen Einordnung kognitiver Defizite, also von Einschränkungen höherer Hirnleistungen. Eine möglichst frühe Diagnose ist wichtig, weil dann erstens direkt die richtige Therapie eingeleitet werden kann und weil zweitens die Prognose der DAT besser ist, je eher die entsprechenden Medikamente zum Einsatz kommen. Wir stellen immer zunächst fest, um welche Form der Demenz es sich eigentlich handelt, weil es zum Beispiel Formen gibt, die auch mit den zugelassenen Antidementiva nicht behandelt werden dürfen. Zur Demenzdiagnostik gehört immer eine Bildgebung vom Gehirn, am besten eine Kernspintomographie, eine ausführliche neuropsychologische Testung und eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquors), das über eine Lumbalpunktion gewonnen wird.